17.07.2016

London bereitet ein Dutzend Handelsabkommen vor

Wenn die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt die EU verlässt, soll das perfekt vorbereitet sein. Darum laufen jetzt schon die ersten Gespräche mit Australien und Kanada. Aber wie wird das Verhältnis zur EU nach dem Brexit?

Die neue britische Regierung unter Theresa May bereitet nach dem Brexit-Votum Freihandelsabkommen mit mehren Ländern vor. Das Büro der Premierministerin teilte am Sonntag mit, der australische Regierungschef Malcolm Turnbull sei so schnell wie möglich an einer Vereinbarung interessiert. Das sei das Ergebnis eines Gesprächs vom Wochenende. Großbritanniens Handelsminister Liam Fox kündigte in der „Sunday Times“ auch Neuverhandlungen mit anderen Partnerländern an. Dazu werde er bald in die Vereinigten Staaten reisen. Mit Kanada habe er schon „sehr erfolgreiche“ Gespräche geführt. Fox strebt rund ein Dutzend Vereinbarungen mit Staaten außerhalb der EU an. Sie sollen stehen, wenn die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt die EU verlässt.

Als Teil der Europäischen Union profitiert die Insel vom gemeinsamen Binnenmarkt und den Handelsabkommen mit wichtigen Partnern in Amerika und Asien. Die Scheidung von der EU dürfte mehrere Jahre dauern. In dieser Zeit will die Regierung in London die Weichen stellen, um neue Handelsabkommen auszuarbeiten. Der neue Brexit-Minister David Davis sagte Sky News, Großbritannien werde weiter Zugang zum Europäischen Binnenmarkt haben. Die Frage sei, ob dies ohne Zölle funktioniere. „Ich denke ja, das ist es, was wir anstreben.“ Besonders wichtig ist den Briten auch ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten. Deren Präsident Barack Obama hatte für den Fall eines EU-Ausstiegs gewarnt, dass sich Großbritannien dann am „Ende der Warteschlange“ wiederfinden würde. Die Amerikaner würden zunächst ein Abkommen mit „dem größten Handelspartner, dem europäischen Markt“, anstreben, hatte Obama, der allerdings im Januar 2017 aus dem Amt scheidet, im April gesagt.

Die Mehrheit der Briten lehnt einer Umfrage zufolge eine neue Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft ab. 57 Prozent sprachen sich gegen ein zweites Brexit-Referendum aus, wie aus einer ComRes-Studie für die Zeitungen „Sunday Mirror“ und „Independent“ hervorgeht.

Expertengruppe für Hessen und Finanzplatz Frankfurt

Hessen hat unterdessen eine Expertengruppe des Landes eingesetzt mit dem Ziel, nach dem Brexit das Beste für das Land und den Finanzplatz Frankfurt herauszuholen. Die schwarz-grüne Landesregierung hat betont, dass Deutschlands wichtigster Finanzplatz offen sei für Finanzunternehmen, die womöglich aus London abwandern wollen.

„Unsere Stärken liegen auf der Hand: eine sehr gute digitale Infrastruktur, exzellente Erreichbarkeit, die Nähe zur EZB, eine hohe Lebensqualität und im Vergleich zu London oder Paris deutlich günstigere Büros“, sagte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Er werde am 10. August mit einer Delegation nach London reisen, um dort Entscheider gezielt anzusprechen.

Quelle FAZ vom 16. Juni 2016